Festival-Dokumentation preisgekrönt

Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik

für die Waldeck-Festivals-CD-Edition

Die Dokumentation zur Geschichte der Burg Waldeck-Festivals Chanson Folklore International 1964 bis 1969 wurde mit dem Jahrespreis des „Preises der Deutschen Schallplattenkritik“ 1 ausgezeichnet. Aus der Würdigung:

Ein überzeugendes Dokument der Geburt einer damals neuen Musikrichtung: So begann hierzulande die Folk- und Liedermacherszene.“

Die Edition wurde in der Öffentlichkeit schon bisher auf breiter Ebene wahrgenommen. In den Kulturteilen der großen Blätter erschienen eine ganze Reihe von Besprechungen, wobei die meisten weniger auf die Edition selbst als auf die Geschichte der sechziger Jahre eingingen, was auch zu heftigen Auseinandersetzungen führte

  • um die 68-Vorgänge auf der Waldeck,
  • um die Bedeutung der Waldeck-Festivals für die Studentenbewegung
  • um deren Bedeutung in der damaligen Musikszene, und
  • ganz allgemein um die Bewertung von „Achtundsechzig“ und dessen Folgen.

 

Dazu schrieb uns Andreas Räsch:

Noch interessanter als die CDs finde ich die Tatsache, dass die Waldeckfestivals wohl immer noch polarisieren. Die einen halten sie für bedeutende Kulturgeschichte, die anderen für provinziell und unbedeutend, die einen rechtfertigen die Politisierung des Festivals, die andern verdammen die Auswirkungen, nochmals andere finden alles, was nach Achtundsechzigern riecht, per se uncool.

Was zählt, ist aber doch, dass die Waldeckfestivals nach vier Jahrzehnten endlich dokumentiert sind (neuerdings sogar im Online-Lexikon Wikipedia), was die Voraussetzung dafür ist, dass man überhaupt kontrovers darüber diskutieren kann.“

Die Betrachtung und Bewertung der Edition selbst und der damit verbundenen Arbeit (einschließlich der jahrelangen, kontinuierlichen Vorbereitung durch ABW und Deutsches Rundfunkarchiv) gerät über dem im Jubiläumsjahr neu entfachten Kontroverse um die Bewertung der 1960er Jahre in den Hintergrund.

Einer, der genau hingeschaut hat und die CD-Edition beschreibt und bewertet, ist Kai Engelke, der im Folker! 4.08, Seite 85, dazu folgendes schreibt:

„ … Glücklicherweise sind nahezu alle Konzerte (und auch die Diskussionen) der damaligen Zeit aufgezeichnet worden, so dass aus diesem reichhaltigen Material (unzählige Tonbänder wurden zunächst auf 147 CDs kopiert) eine ganz außergewöhnliche Zehn-CD-Edition zusammengestellt werden konnte, die ohne Weiteres als ein kulturhistorischer Schatz bezeichnet werden kann. Das Gesamtwerk wird komplettiert durch ein großformatiges 240 Seiten starkes Buch, herausgegeben von Folker!-Chefredakteur Michael Kleff.

Die zehn CDs enthalten 281 Stücke, die meisten davon bisher unveröffentlicht, insgesamt fast fünfzehn Stunden Musik. Die Aufnahmen sind nach der Reihenfolge der Festivals geordnet (1964 bis 1969). Die zehnte CD enthält neben Liedern auch einige Diskussionsbeiträge, die den Geist der damaligen Zeit ein Stück aufleben lassen, sowie etliche O-Töne bzw. Interviewauszüge z.B. von Franz Josef Degenhardt, Hanns Dieter Hüsch, Walter Moßmann, Hannes Wader und Reinhard Mey.

Man kann mit Hilfe dieser CDs auf Abenteuerreise gehen: Neues ist im Alten zu entdecken, Verloren-Geglaubtes wieder zu finden, Erinnerungen, Überraschungen – alles ist möglich.

Apropos Überraschungen: Die Tonqualität der Aufnahmen ist durchgehend gut, was in erster Linie dem damaligen Tonmeister Helmut König zu verdanken ist, sicherlich aber auch dem Deutschen Rundfunkarchiv, das die von Stephan Rögner erstellten digitalen Bänder in den Jahren 2001 bis 2004 erstbearbeitete, übernahm und auf CDs brannte, und Jürgen Feuß, der dieses Material im Auftrag von Bear Family Records sichtete, auswählte und für die Veröffentlichung bearbeitete.

Das dazugehörige, reich bebilderte Buch – Michael Kleff erstellte es in ständiger Zusammenarbeit mit Stephan Rögner, dem Festival-Fachmann der ABW, – ist eine Mixtur aus Fakten und persönlichen Erinnerungen der beteiligten Künstler und Veranstalter. Die sechs Festivals werden chronologisch abgehandelt und jeweils von einem anderen Autor dargestellt. Auf diese Weise entstand ein Mosaik unterschiedlicher Sichtweisen, das in seiner Gesamtheit den wahren, heute oft verklärt dargestellten Geschehnissen und Entwicklungen während der Waldeck-Festivals wohl recht nahe kommt. Quasi als (ziemlich umfangreicher) Anhang findet sich im Buch eine „Alphabetische Künstlerliste“ der auf den CDs zu hörenden Musikerinnen und Musiker, die eigentlich eher ein Künstlerlexikon voller Geschichten und Anekdoten ist.

Man muss dieses Buch nicht von vorne nach hinten lesen. Man kann darin blättern, sich treiben lassen und – ähnlich wie bei den CDs – immer wieder Entdeckungen machen.

Erschienen ist das Gesamtwerk bei Bear Family Records, dessen Gründer und Inhaber Richard Weize für seinen unternehmerischen Mut zu loben ist, ein derart aufwendiges, grafisch sehr ansprechendes (Nischen)-Werk zu produzieren. Interessenten sollten sich beeilen, die Auflage ist nicht sehr hoch.“

Und hier noch die Meinung eines Folker!-Lesers:

„ … Es ist eine Schande, dass diese Aufnahmen so lange in Archiven schmoren mussten und erst zu einem Zeitpunkt erscheinen, in dem der Niedergang des Tonträgers CD offensichtlich ist. Abschließend sei also nochmals gesagt: Das haben Sie gut gemacht, Michael Kleff.“ (Lothar Stadler in Folker! 05.08, Seite 4.)

GMP


Die Burg Waldeck Festivals 1964–1969 – Chansons Folklore International, 10-CD-Edition mit Buch im Schuber, Hambergen (Bear Family Records) 2008, ISBN 978-3-89916-394-0, BCD 16017 JC.

Die CD-Edition ist bei Conträr, bei der Büchergilde Gutenberg und bei Zweitausendeins erhältlich.

1 Der Verein Preis der deutschen Schallplattenkritik e.V. vergibt zweierlei Auszeichnungen für künstlerisch und aufnahmetechnisch hervorragende Veröffentlichungen auf Tonträgern (siehe www.schallplattenkritik.de):

    • Vierteljährlich erscheint eine Bestenliste von Neuerscheinungen aus den verschiedensten Bereichen. In jeder der 29 Musik-Kategorien, die von „Alte Musik“ bis zu „Weltmusik“, von „Orchestermusik“ bis zu „Lieder und Songs“ reichen, bestimmt eine Jury von fünf Fachleuten die auszuzeichnenden Werke.
    • Der Jahrespreis wird kategorie-übergreifend an insgesamt maximal zehn Tonträger vergeben. Er wird auf der Basis von Jurorenvorschlägen durch den „Jahresausschuss“ ermittelt, dem jeweils vier Juroren aus den Bereichen „Klassik“ und „Popmusik“ angehören.

 

(aus: KÖPFCHEN 3+4/2008, Seite 30ff.)