Zurück zu Sein Selbstverständnis als Sänger und Liederforscher

Aufruf an alle Barden: Singt!

Dieser Aufruf lag der EP „Vertäut am Abendstern“ (1963) bei. (Scan als PDF-Download)


Lieber Freund, der Du erstaunt dieses Pamphlet aus der Plattentasche ziehest! Habe die Gelassenheit, Dich mit den Gedanken eines Einzelsängers zu befassen.

Wir wissen aus guter Erfahrung, daß „bündisches“ Singen in erster Linie gemeinschaftliches Singen bedeutet. Die Arbeit der Thorofonleute zeugt von dieser Auffassung.

Aber sagt mir: Was geschieht, wenn man sich im Kreis seiner Horte in einer durchbecherten oder durchtanzten Nacht richtig „ausgesungen“ hat? Kommt dann in der grauen Morgenstunde, wenn die Haare wirr sind und die Stimmbänder rauh, nicht der Augenblick, da sich Hai oder Karl die Klampfe angelt und die Ballade von Herrn Glomme zu Gehör bringt? Und die anderen liegen am rauchenden Feuer, schauen in den Himmel und sind die besten Zuhörer!

Gibt es nicht eine ganze Reihe solcher Lieder, die ohne Gemeinschaftslieder zu sein immer wieder im Rahmen des Gruppenlebens auftauchen? Und gehören der Einzelgesang und das Vorsingen nicht zur Horte wie das Geschichtenerzählen?

Es scheint mir keine schlechte Idee zu sein auf Sängerkriegen auch Einzelleistungen zu bewerten. Gewiß, „Stars“ sollen nicht gezüchtet werden. Aber sind solche Impulse für den einzelnen nicht eine wichtige und schöne Sache?

Diese Sänger werden dann später kaum ihre Klampfe an den bewußten Wandnagel hängen, sondern auch noch nach ihrer Gruppenzeit in die Saiten greifen. Im bündischen Bereich gibt es viele Lieder, die über den Hortenrahmen weit hinausreichen. Ist es nicht schade, daß wir dem französischen Chanson so wenig entgegensetzen, den Brassens, Montand, Ferre!

Vergessen wir nicht, daß auch bei uns in Deutschland Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Chansonkunst bestehen. Sie liegen irgendwo zwischen Volkslied, hündisch-vaganteskem Song und unserer heimischen, mittlerweile etwas schmalbrüstigen Chansonkunst.

Ihr Barden, schafft Texte, die weithin wirken! Sucht sie! Singt sie! Und teilt mir Eure Gedanken oder Eure Kritik zu diesen Zeilen mit!

Peter Rohland Berlin-Dahiem, Schwendenerstraße 33