Peter Rohland und die Waldeck zu Gast in Rudolstadt

pitters lieder mit D. Khan, D. Saam & M. Drasch Foto: mike

pitters lieder mit D. Khan, D. Saam & M. Drasch Foto: mike

Das Peter Rohland Projekt auf dem Roots Folk Weltmusik Festival tff rudolstadt 2014 vom 3. – 6. Juli 2014

Von uns reisten an:

  • ali und Helga, Jacky und Babusch, dex,
  • Holger und Elke Böning, Dedo und Hanne Asshoff,
  • mike und Traute, Christoph und Andreas Michael

 

Wir trafen dort u.a.:

  • Barbara Boock, die den diesjährigen Ruth-Ehrenpreis des Festivals für ihr Lebenswerk für das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg erhielt,
  • Kai Engelke, der das Festival schon längst für sich entdeckt hat,
  • Pauli (Paul-Thomas Hinkel), den Produzenten und Verleger unseres schönen Liederbuchs pitters lieder

 

Das Programm des Peter Rohland Projekts:

Donnerstag 3. Juli 18:00 Uhr in den Säulensälen von Schloss Heidecksburg

  • Eröffnung der Ausstellung Peter Rohland Leben und Werk 1933-1966
  • Begrüßung: Bernhard Hanneken, tff rudolstadt
  • Vortrag: Holger Böning, Bremen: „Peter Rohland, die Waldeck-Festivals und das politische Lied der Revolution von 1848“
  • Einführung in die Ausstellung: Joachim Michael, Peter Rohland Stiftung
  • Musikalische Begleitung: Die Grenzgänger

 

Freitag 4. Juli 17:00 Uhr und Samstag 5. Juli 14:00 Uhr, Altes Rathaus

  • Peter Rohland zum Mitsingen
  • Christoph Lambertz und David Saam: Lieder von Landstreicherei und Revolution aus dem Repertoire von Peter Rohland zum Mitsingen

 

Freitag 4. Juli 20:00 Uhr, Markt und Samstag 5. Juli 13:00 Uhr, Heidecksburg Burgterrasse:

  • Die Grenzgänger, Themenkonzert maikäfer flieg!

 

Samstag 5. Juli 15:00 Uhr, Bibliothek

  • Hier sind unsere Lieder! Die Festivals auf Burg Waldeck 1964 – 2014
    Podiumsdiskussion mit Prof. Holger Böning, Jacky van Beek (ABW), Michael Kleff, Oskar Kröher, Michael Zachcial. Moderation: Bernhard Hanneken

 

Samstag 5. Juli 17.00 Uhr, Bibliothek

  • Vom Volkslied zum Folksong. Oss Kröher liest und singt

 

Sonntag 6. Juli 14:30 Uhr, Große Bühne im Burghof Heidecksburg

  • pitters lieder. Ein Peter Rohland Programm
    mit Daniel Kahn, David Saam und Monika Drasch und Band

 

Ja, zu diesem ambitionierten Programm hatte sich unser Auftritt in Rudolstadt im Dialog mit Bernhard Hanneken, dem künstlerischen Leiter des Festivals, schließlich entwickelt.

Peter Rohland Ausstellung Foto: mike

Peter Rohland Ausstellung Foto: mike

Ursprünglich sollte sich unser Beitrag auf die Peter Rohland Ausstellung beschränken. Dann war da aber auch dem Jubiläum 50 Jahre Waldeck-Festivals Rechnung zu tragen und der Frage Waldeck heute nachzugehen. Das führte zu der Aufnahme einer Podiumsdiskussion, Die Festivals auf der Waldeck 1964 -2014, in das Programm, an der auch Jacky als derzeitiger Impresario der Pfingstliederfeste und Vertreter des Verwaltungsrats der ABW teilnahm.

Die Grenzgänger mit ihrem neuen Erste-Weltkriegs-Liederprogramm maikäfer flieg! kamen zum Programm hinzu, als musikalische Begleiter unserer Vernissage und in zwei weiteren Konzerten. Das bot sich insbesondere deswegen an, weil diese Musikgruppe in ihrer Projektarbeit als kongenialer Nachfolger von Peter Rohland angesehen werden kann und sich auch so versteht und von der Peter Rohland Stiftung unterstützt wird.

Von Bernhard Hanneken kam die Anregung, die zwei Mitsinge-Veranstaltungen (ein gängiges Format des Festivals) mit einem Peter-Rohland-Liedprogramm unter der Leitung von Christoph Lambertz und David Saam unter Mitwirkung von Jan Tengeler in das Programm aufzunehmen sowie, als Höhepunkt, ein großes Konzert mit pitters lieder zur Hauptveranstaltungszeit am Sonntag 14:30 Uhr im Burghof der Heidecksburg vorzusehen mit Neuinterpretationen der Lieder von Peter Rohland, gesungen von Monika Drasch, Daniel Kahn und David Saam, begleitet von einer ad-hoc-Band mit Till, Johannes und Andreas Uhlmann, Christoph Well, Gleb Vascenko, Jan Tengeler und Hendrik Smock, arrangiert von Jan Tengeler (einer der Autoren des Films Sound of Heimat).

Schön war, dass auch Oss Kröher dabei war, sowohl bei der Podiumsdiskussion als auch mit einem eigenen Lese- und Singeprogramm und mit historischen Plakaten aus dem legendären Sängerleben von Hein&Oss als Ergänzung zu unserer Ausstellung.

 

Als Rudolstadt-Neulinge machten wir uns zunächst etwas Sorgen, ob bei dem Riesenprogramm des Festivals sich überhaupt genügend Publikum bei unseren Veranstaltungen einfinden würde. Bei dreihundert Auftritten auf 31 Bühnen und Podien von 1.086 Mitwirkenden aus 35 Ländern inklusive 163 Bands einschließlich 57 Straßenmusiker könnte man als Veranstalter ja schon einmal übersehen werden.
Das Gegenteil war der Fall! Aus dem Kreis der gezählten 87.300 Besucher (Rudolstadt zählt rund 20.000 Einwohner) bekamen wir reichlich Gäste ab.
Interessant ist die Zählung in Rudolstadt: Es werden die Besucher eines Tages von durchschnittlich mehr als 20.000 kurzerhand zusammengezählt, so endet man bei vier Tagen Festival-Dauer schnell bei über 80.000. Übertragen auf die Waldeck könnten wir unser Rekordergebnis vom diesjährigen Liederfest von rund 750 Besuchern schnell mal mit dem Faktor 3 auf 2.250 Gäste hochkatapultieren, um dann immer noch feststellen zu müssen, dass wir auf der Waldeck in einer anderen, aber nicht weniger liebenswerten (!) Liga spielen.

Apropos liebenswert: Was einen vom ersten Augenblick für das Festival in Rudolstadt einnimmt und fasziniert, sind Lokalität und Publikum. Das kleine, noch völlig intakte ehemalige Residenzstädtchen mit dem etwas überdimensionierten Schloss, der Heidecksburg, hoch über der Stadt und den weiten Flussauen mit dem Heinepark jenseits der malerisch dahinfließenden Saale geben ideale Spiel- und Aufführungsplätze für das Festival ab.
Phänomenal ist das Publikum (überwiegend aus der Ü30er-Generation), das teilweise bunt gekleidet in unangestrengter Gelassenheit, heiter, aufgeschlossen, sachkundig und neugierig durch die Straßen, Höfe und Wiesen von Veranstaltung zu Veranstaltung flaniert, sicher geleitet durch ein sehr aufschlussreiches Programmheft von 240 Seiten, in dem allein fünfzehn Seiten, von Bernhard Hanneken vorzüglich verfasst, der Waldeck und dem Peter Rohland Projekt vorbehalten waren.

 

Von diesem phänomenalen Publikum strömte reichlich in unsere Ausstellungsvernissage am Donnerstag in den malerischen Säulensälen der Heidecksburg. Es war richtig voll. Die Vorträge, die Musik, die Exponate und das wunderbare Ambiente der Ausstellungsräume kamen bestens an. Die Ausstellungseröffnung geriet zum Fest, das wir mit Württemberger Trollinger und Thüringer Brezel zu einem würdigen Abschluss bringen konnten.

Auch die folgenden Ausstellungstage waren ein voller Erfolg. Noch nie hatten wir einen solchen Zulauf. Hier zeigte sich, dass man es in Rudolstadt mit einem größtenteils sehr sachkundigen Publikum zu tun hat, das dem Festival über die Jahre zugewachsen ist. Es war das vierundzwanzigste des neuen Zuschnitts seit der Wende als Tanz- und Folkfest (tff). Bekanntlich war das Festival bereits 1955 von Ulbricht als reines Tanzfest aus der Taufe gehoben worden. Daher rührt der Umstand, dass manche noch heute Rudolstadt als ausschließliches Tanzfest missverstehen.

Gleichermaßen viel Zuspruch erhielten die Mitsinge-Veranstaltungen im Alten Rathaus. Wieder war es brechend voll. Das Publikum kannte die Lieder, sodass Christoph Lambertz und Davis Saam sich nicht lange mit der Einübung abgeben mussten, sondern mit Hilfe der vorbereiteten Textblätter und fetziger Instrumentalbegleitung gleich lossingen lassen konnten. Wieder eine Superstimmung im Saal.

Auch die Grenzgänger kamen mit ihrem neuen Programm bestens an, insbesondere am Samstag auf der etwas intimeren Bühne auf der Burgterrasse der Heidecksburg. Ein zeitweiser Ausverkauf der neuen CD lohnte die Mühe.

In der Podiumsdiskussion am Samstag in der Bibliothek, geschickt moderiert von Bernhard Hanneken (leider konnte Walter Mossmann nicht dabei sein), traten die offensichtlich unterschiedlichen Formate der Festivals auf der Waldeck und in Rudolstadt zutage, die, so war man sich einig, jedes für sich, ihren unverwechselbaren Charme und Sinngehalt aufweisen. Jacky gelang es herauszustellen, dass die Waldeck zu keinem Zeitpunkt aufgehört hat, Festivalort zu sein und dies mit dem gerade zu Ende gegangenen 50. Wiederkehr des ersten Liederfestes wieder unter Beweis gestellt hat. Die Beiträge von Oss Kröher bei der Podiumsdiskussion und bei seiner Lesung haben den Stellenwert der Waldeck auch in seinem Schaffen (und dem seines Zwillingsbruders Hein) eindrucksvoll unterstrichen.

Mit großer Spannung haben wir dann „pitters lieder“, das Konzert am Sonntag auf der großen Bühne im Burghof der Heidecksburg, mit Neuinterpretationen von Pitter-Liedern, arrangiert von Jan Tengeler, vorgetragen von Monika Drasch (48er-Lieder), David Saam (Landstreicherballaden) und Daniel Kahn (Jiddische Lieder) mit Band erwartet: Wieder großes Publikum, annähernd 2.000 Zuhörer. Wieder tolle Stimmung. Und sehr interessante musikalische Ergebnisse, mit aufwändiger instrumentaler Begleitung, die zu einem ganz neuen Hör-Erlebnis führten, im Arrangement etwas in der Art des musikalischen Ansatzes des Antistadl von David Saam und Christoph Lambertz bei ihrer Annäherung an das traditionelle deutsche Volkslied und dessen Wiederentdeckung. Nicht immer leicht nachzuvollziehen, insbesondere für denjenigen, der mit den Original-Pitter-Interpretationen groß geworden – und damit zwangsläufig befangen ist. Aber möglicherweise ein Weg, die Lieder von Peter Rohland einem neuen Publikum, dem Publikum von heute, das von Peter Rohland noch nie gehört hat, näher zu bringen. (Siehe dazu auch Holger Bönings Bericht im Folker 05.14 Seite 68).

Ende August wird der Mitschnitt dieses Konzerts vorliegen. Dann ist zu prüfen, ob es nicht lohnend wäre, das Konzert in der Festival-Formation an geeigneten Orten zu einer geeigneten Zeit zu wiederholen. Interesse aus dem Kreis der Protagonisten der Aufführung wurde bereits signalisiert.

Mit diesem Ausblick schließt mein Bericht. Der Ausflug nach Rudolstadt war in vielerlei Hinsicht lohnend und lädt zur Wiederkehr ein. Das Festival ist übrigens auch ein sehr anschauliches Beispiel einer inzwischen eingekehrten deutsch-deutschen Normalität.

mike

(aus: KÖPFCHEN 3+4/2014, Seite 14ff.)