Da und dort werden die Lieder von Roland in den verschiedensten Gruppen und Horten der bündischen Jugend und in Pfadfinderverbänden noch recht lebendig gesungen. Aber gesammelt und ansehnlich präsentiert – das fehlte bislang. Dieses war wohl vermutlich der Bescheidenheit von Roland Eckert geschuldet. Jetzt, nach vielen Jahrzehnten des Entstehens seiner Lieder, ist es (endlich) in Zusammenwirken mehrerer Akteure – der Peter Rohland Stiftung, der Stiftung Dokumentation der Jugendbewegung (Burg Ludwigstein), dem Mindener Kreis e. V. und nicht zuletzt Peter Stibane (pit) und Astrid Stößel (Kolme), die als Herausgeber zeichnen – gelungen, die ganze Fülle der von Roland als Liedschöpfer in Text und Melodie geschaffenen Lieder zusammen zu tragen.
Entstanden sind diese Lieder in den Zeiten des Bundes deutscher Jungenschaften, den Roland zusammen mit Freunden in den Jahren um 1959 gegründet hatte. Erschienen im Spurbuchverlag, kann das Liederbuch in Aufbereitung und Grafik ganz nach der eigenen Art dieses nicht mehr existierenden Bundes für Freunde, Sänger und Sängerinnen zur Erinnerung, Sammlung und zum regen Gebrauch dienen.
1963 hörte ich als siebzehnjähriger, frischgebackener Hortenführer aus der schwäbischen Provinz bei einem Treffen der im Süden angesiedelten Gruppen des Bundes deutscher Jungenschaften (BdJ) zum ersten Male die Lieder von Roland. Ich erinnere mich an „Temesvar“, „Die Füchsin“, „Platero“ und „Die Kirschen sind reif“. Für mich und uns war das ein völlig anderer Liedstil, die Melodien und Texte voller Poesie und vorher nie gehörter Lyrik. Es kam mir seinerzeit so vor, als hätten wir auf solche Lieder geradezu gewartet, kannten wir doch bisher lediglich die Lieder aus dem Turm, Tejos Lieder, die Lieder der Eisbrechermannschaft und was sonst noch so in den Gruppen gesungen wurde.
Roland selbst lernte ich erst Jahre später näher kennen, kannte aber Texte und Fotos von ihm aus der –schrift– des BdJ. Ich erinnere mich an das legendäre Chorleiterfoto von Roland im blauen schwäbischen Rieskittel im Steinbruch von Friedland. Es atmete eine ganz andere Geisteswelt als die der einheitsblauen oder schwarzen Jungenschaftsjacken; Schulterriemen und Koppelschloss hatten ausgedient.
Mit weiteren aus seiner Feder oder im Kreise seiner Freunde, Olka (Erich Scholz), Christof Stählin, Peter Rohland u. a. entstandenen Liedern ergänzten wir unser Repertoire. Zu nennen sind hier: „Ostsee, Rosenort“, „Sehr alt sind die Wälder“, „Meine Sonne will ich fragen“, „Meine Sterne, meine Nacht“, „Da ritt ich wohl mein gelbes Pferd“, „Blume ist so gut geraten“, und viele mehr. Es sind allesamt wunderbare Texte und Melodien, voller Bilder sinnlicher Klangwelten und Gefühle. Und mit diesen neuen Liedern, gesungen und gespielt zu eigener Zeit, wanderten wir fortan unter der Fülle des Sternenhimmels, begegneten uns im Reigen unserer Wirklichkeiten und Fantasien, in Übereinstimmung mit uns selbst und den Mitsängern.
Nachzulesen in der nunmehr vorliegenden Liedersammlung ist ein aufschlussreiches Gespräch zwischen Roland und den beiden Herausgebern, pit und Kolme. Roland erzählt über die Anstöße und Impulse des eigenen Suchens nach Texten und Melodien: „Lieder sollen sinnliche Erfahrungen und konkrete Geschichten wiedergeben“, über Kindheit und erste Jugendjahre in einer musischen Familie, zu den Wirkungskräften von Gedichten, dem Ausprobieren von Tönen, Melodien und Rhythmen, seinem Komponieren für besondere Anlässe wie Morgenfeiern und Chorgesang. Roland verstand sein Liedermachen stets im Zusammenhang mit der Selbstbildung junger Menschen und dem Suchen nach eigenem ästhetischem Empfinden.
Auch mit den Liedern von Roland fanden wir Wege zu Kulturen anderer Völker, deren Lebenswelten. Der Balkan, das fahrende Volk hatten es uns besonders angetan, auch wenn uns seinerzeit Begrifflichkeiten wie „Zigeuner“ noch allzu leicht vom Munde gingen. Im Sinne bereits in jungen Jahren erfahrener und gelebter Humanitas für Gerechtigkeit und Freiheit, sahen wir deren Ausgegrenzt-Sein bis hin zu Verfolgung und Mord. Wir sangen die ihnen zugedachten Lieder und Texte in tiefer Verbundenheit und Empathie – oftmals für uns auch befreiend. Auf unseren Großfahrten erfuhren wir Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft. Noch heute gibt es Kontakte und unterstützende Verbindungen nach Bosnien und Griechenland.
Ein Text in der Lieder–schrift– (Nr.9) aus den frühen sechziger Jahren des BdJ lautet: „Wir leben mit diesen Weisen, und wenn wir ihnen begegnen, wird unser Sein klarer und faßbarer werden“; das könnte auch heute noch so gesagt werden, und deshalb singen wir auch heute oft und gerne!
Der Liedersammlung ist dankenswerter Weise eine CD beigefügt. Beim ersten Anhören der von pit, Kolme, deren Wandervogelchor und auch von Roland eingesungenen Lieder mag vieles ungewohnt und auch fremdartig klingen. Einige der Lieder erinnern an ‚Kunstgesang‘, auch die Art und Weise des Vortragens ist vielleicht nicht jedermanns/-frau Sache. Wir haben seinerzeit in den Gruppen diese Lieder flotter, rhythmischer und jugendlich-bewegter gesungen. Manche Lieder von Roland waren regelrechte ‚Schlager‘ und bildhafte Vorstellung mancher Gruppen mit Tamburin und Schellen bei uns im Süden. Die Gruppen hatten je ihre eigene Interpretation und Präsentation, auch der Chorgesang von Rolands Liedern war vielerorts wenig eingeübt und im Gebrauch. Das alles macht die beigegebene CD reizvoll und weckt Neugierde; hört sie euch an!
Günter Fieger-Kritter – häring –
Peter Stibane & Astrid Stößel (Hg.): … heute singst du das Lied von den Straßen. Lieder von Roland, 96148 Baunach (Spurbuchverlag) 2017, 104 Seiten, ISBN 978-3-88778-507-9
Bestellbar bei:
Peter Stibane (pit), Erzbergerstraße 23 b, 76133 Karlsruhe
Tel. 0721 – 75 15 91
peter.stibane@gmx.de
(aus: KÖPFCHEN 4/2017, Seite 25ff.)